In der Altstädter Pfarrkirche St. Marien in Warburg befindet sich am südlichen Freipfeiler des Kirchenschiffes die „ Hl. Anna Selbdritt“. Die 74 cm hohe Statue aus Eichenholz, entstanden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, vertritt einen sehr häufigen Typus der Darstellung der Mutter Mariens: Die hl. Anna trägt in ihrem rechten Arm das Marienkind, das wiederum das Jesuskind auf dem Schoße hält. Noch beliebter war bis ins 16. Jahrhundert die Anordnung des Marienkindes auf dem einen, des Jesusknaben auf dem anderen Arm. Maria ist durch eine Krone als Himmelkönigin, der Jesusknabe durch eine Kugel als Weltherrscher gekennzeichnet. Das feingezeichnete ruhige Gesicht der hl. Anna wird von einem Kopftuch umschlossen, dessen Enden sich mit dem Obergewand zu einer geschlossenen Kontur verbinden, die in großzügigem Fluß die matronenhafte Gestalt einhüllt.
Früher befand sich diese Figur in einer Nische der Westwand des im Jahre 1838 abgebrochenen „Neuen Tors“ an der Diemelbrücke zur Warburger Altstadt. Nach einer alten Überlieferung versammelten sich die Besucher des Osterfeuers auf dem Rückweg vor diesem Bild, sangen ein Marienlied und sprachen ein kurzes Gebet.
Drei Generationen sind in der Figur vereint: Der Sohn Gottes, wahrer Gott und wahrer Mensch, hat – wie jeder von uns – menschliche Vorfahren. Die Heilige Schrift bezeugt nicht nur die Gottheit Jesus; auch sein Menschsein mit allen Konsequenzen wird darin sehr ernstgenommen. Das beweisen die beiden Stammbäume bei Matthäus und Lukas. Das Unheilige im Strom der Geschlechter wird nicht verschwiegen, das Heilige dankbar bezeugt.
Schon früh wandte sich deshalb die fromme Verehrung den Eltern der Mutter des Herrn zu in der Annahme, „ein guter Baum bringt gute Früchte“. Anna, die Mutter Marias, ist ein Vorbild im Gebet, in der Hoffnung, in der Heiligung. In einer Zeit, in der die Menschlichkeit Jesus verstärkt entdeckt wird, sollten wir nicht übersehen, wie entscheidend das ist, was Menschen an Menschen weitergeben. Anna Selbdritt könnte uns den Blick öffnen für die Wichtigkeit familiärer Bindungen, die für die Weitergabe des Lebens und des Glaubens von unverzichtbarer Bedeutung sind.